video_label

Verabschiedung Haushalt 2024

Sitzung des Kreistags am 15. Dezember 2023

TOP 1 Haushaltsplan 2024 und Finanzplanung 2023 bis 2027 - Verabschiedung-

Redebeitrag Brigitte Muras

 

Sehr geehrter Herr Allgaier, sehr geehrte Frau Beck, meine Damen und Herren,

 

eine Jury hat vor einer Woche das Wort "Krisenmodus" zum Wort des Jahres 2023 gewählt, gefolgt von „Antisemitismus“ und „leseunfähig“. Die Begründung dafür, ich zitiere „Die Gesellschaft befindet sich seit 2020 im „Krisenmodus“, mit Blick auf die Corona-Pandemie, den Überfall Russlands auf die Ukraine, die Energiekrise, die Bildungsmisere und den Angriff der Terrormiliz Hamas auf Israel. Der Ausnahmezustand ist zum Dauerzustand geworden. Das löst bei den Menschen Angst, Unsicherheit und Ohnmacht aus. Dieses Gefühl beherrscht den Alltag und man weiß nicht, was kommt denn noch.“            

Quelle: www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/wort-des-jahres-krisenmodus-100.html

Diese Gefühle spürt man in unserer Gesellschaft. Sie führen dazu, dass sich viele Menschen ins Privatleben zurückziehen. Sie sind u.a. auch der Grund dafür, dass Menschen ggü. Verschwörungstheorien zugänglicher werden oder zunehmend der Argumentation Rechtsextremer folgen, weil das Vertrauen in den Staat abnimmt.

Wir gewählte Kommunalvertreter*innen dürfen uns diese Haltung nicht leisten. Wir müssen Verantwortung für das Allgemeinwohl übernehmen. Wir müssen die von uns beeinflussbare Probleme lösen, Antworten finden und handeln.

Zum Beispiel auf die sich rasant beschleunigende Klimakatastrophe. Dass das 1,5 Grad-Ziel nicht mehr zu erreichen ist, ist leider bittere Realität. Die CO2 - Uhr tickt ohne Erbarmen und zeigt inzwischen weniger als 3 Jahre an, der Weltklimarat gibt uns immerhin noch bis 2030 – 2035 Zeit, fordert aber drastische Maßnahmen, um die Treibhausgasemissionen in allen Sektoren wirksam zu reduzieren.

Die UN-Klimakonferenz in Dubai ging letzten Mittwoch mit gemischtem Beifall zu Ende. In den neuesten NABU-News kann man lesen: „Löchrig wie ein Schweizer Käse – so lässt sich die Abschlusserklärung am ehesten beschreiben“ und „Die Länder einigten sich auf eine Abkehr von fossilen Energien, aber eine echte Verpflichtung zum Ausstieg ...fehlt.“ Das zeigt, wie schwierig es ist, ein gemeinsames Ziel zu formulieren. Im Kampf gegen die Erderwärmung werden falsche Rahmenbedingungen und Prioritäten gesetzt. Profiteure sind die OPEC-Staaten – Verlierer sind wir alle.

 

Niemand kann sagen, das sei alles weit weg. Dr. Simon Boden, Leiter des FB Wald, wurde kürzlich in der Vaihinger Zeitung zitiert: „Wir haben keine gesunden Bäume mehr“.  Eine bittere Folge des Klimawandels für unseren waldarmen Landkreis.

Wir hier müssen handeln und gegen jedes Zehntel Grad über 1,5 kämpfen.

Unsere Fraktion begrüßt, dass Landrat Allgaier mit seinem Team die Weichen gestellt hat, den Klimaschutz zu stärken. Der Aufbau eines schlagkräftigen und engagierten Teams und die begonnene Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes sind eine gute Grundlage, dem Klimaschutz die notwendige Bedeutung im Kreis zu geben. Wir erwarten nun ein Strategiepapier, das aufzeigt wie das Ziel „Klimaneutrale Verwaltung“ erreicht werden soll, außerdem einen verbindlichen Zeitplan für die energetische Sanierung der kreiseigenen Liegenschaften. Der aufgrund unseres Antrags eingeführte „Klimacheck“ ist ein wichtiger Baustein.    

Um die Mobilität umweltfreundlicher zu gestalten müssen wir mehr dafür tun, damit mehr Menschen den ÖPNV, das Fahrrad und die eigenen Füße benutzen, um von A nach B zu kommen.

Der Nahverkehr muss attraktiv und zuverlässig sein. Die Planungen für unsere Stadtbahn LUCIE sind auf einem sehr guten Weg.  Das zur Verlängerung beauftragte Gutachten von Oßweil nach Waiblingen wird hoffentlich ein gutes Ergebnis erzielen. Die Planungen für die Reaktivierung der Bottwartal-bahn schreiten voran.

Unser Dank gilt Frank von Meissner und seinem Team, das großartige Arbeit leistet.

Das erste und wegweisende Modellprojekt zum „On-Demand-Verkehr“ wird im zweiten Anlauf am kommenden Dienstag noch einmal im Besigheimer Gemeinderat beraten. Hoffentlich nun positiv!

Die Einführung des Jugend Tickets BW zum 1. März 23 war eine wichtige Entscheidung, noch besser ist die Überführung ab Dezember 23 ins Deutschlandticket Jugend BW. Weiter so!

 

Je sicherer sich Menschen auf dem Rad fühlen, desto öfter wird es genutzt. Daher brauchen wir gute Radwege und Radschnellwege und – wie von der Verwaltung zugesagt - modellhaft an der einen oder anderen Straße Radstreifen.

Auch die Kommunen stehen in der Pflicht, von der Ausgestaltung der innerörtlichen Radwegeplanung hängt die Attraktivität für die Radfahrer*innen und ihre Sicherheit ab.

Die gilt auch für die Fußwege, damit Wege, z.B. Schulwege, gerne begangen werden.

Im Jahr 2022 gab es heftige Debatten um die Standortsuche für eine neue Erddeponie. Die vertragliche Verpflichtung der AVL mineralischen Abfälle der Region Stuttgart im Landkreis zu entsorgen besteht bis Ende 2024.                                      

Aus unserer Sicht stehen nun auch die anderen Landkreise in der Pflicht, deshalb müssen die Verhandlungen mit dem Regionalverband Stuttgart oberste Priorität haben. 

Das reformierte Kreislaufwirtschaftsgesetz sieht die stärkere Vermeidung von Abfällen vor. Dazu müssen wir bzw. die AVL ab dem kommenden Jahr einen größeren Recycling-Beitrag leisten. Wir erwarten von der AVL noch größere Anstrengungen zur Reduktion von Hausmüll durch bessere Überwachung von Fehlwürfen und verstärkte Sensibilisierung und Aufklärung der Landkreisbewohner*innen. Es gilt mehr Bewusstsein für das notwendige Recycling zu schaffen,

ansonsten riskieren wir, dass weiterhin wertvolle Rohstoffe verloren gehen, beispielsweise beim Elektroschrott. Die Recycling Quote in der Schweiz ist doppelt so hoch wie in Deutschland. Dies sollte unser Maßstab sein. 

Zudem erwarten wir ein Konzept zur Vermeidung des Mülls rund ums Breuningerland. Wir fordern die dort ansässigen Fast - Food - Unternehmen auf, die Entsorgung und die Kosten für ihren Verpackungsmüll selbst zu tragen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat eine kommunale Verpackungssteuer wie in Tübingen für zulässig erklärt, damit ist der Weg für neue Ideen frei.

Einen Beitrag zur Vermeidung von Verpackungsmüll leisten auch die Verantwortlichen des Ernährungszentrums und der Bio-Musterregion Stuttgart-Ludwigsburg. Der Kauf und die Verarbeitung von frischen Lebensmitteln aus der Region kann noch stärker beworben und das Programm noch weiter ausgebaut werden.

Mit dem Stellenwert der Streuobstwiesen im Landkreis sind wir nicht zufrieden. Es wird zwar einiges getan, um die Attraktivität von Produkten aus Streuobstwiesen-Obst zu steigern. Ein gutes Beispiel sind die Angebote und das Programm des Spätlingsmarkts, erwähnen möchte ich auch die erstmalige Prämierung der besten Obstbrände in diesem Jahr.

Nach unserem Verständnis genehmigt die Landkreis-Verwaltung jedoch viel zu oft beantragte Ausnahmeregelungen zum Roden von Streuobstbeständen bei Ausweisung von Baugebieten. Die Kommunen sollten dem Schutz und der Pflege dieser so wichtigen und unsere Landschaft prägenden Biotope oberste Priorität geben und nicht deren Zerstörung vorantreiben.

 

Sehr positiv nehmen wir die Arbeit des LEV (Landschaftserhaltungsverband) wahr. Ein gelungenes Beispiel, unterschiedliche Interessen von Landschaftsnutzern und Naturschutz unter einen Hut zu bringt. Auch unser leider viel zu früh verstorbener Kollege Volker Godel hatte das erkannt und sich für den LEV eingesetzt.

 

Umwelt- und Klimaschutz sind kein „nice to have“, sie sind eine Notwendigkeit, um kommenden Generationen das Überleben zu sichern. Mit diesem Wissen sollten wir unsere Entscheidungen treffen.

 

Wir stehen am Anfang von großen gesellschaftlichen Veränderungen und den damit verbundenen Herausforderungen, vieles habe ich schon genannt, ich möchte nur einige wenige, aber gewichtige weitere Beispiele nennen: Umsetzung des Wärmeenergiegesetz, Krankenhausreform mit erforderlichem Umbau unserer Kliniken, Ausbau von bezahlbarem Wohnraum,          

Antworten finden auf den zunehmenden Fach- bzw. Arbeitskräftemangel, die Umsetzung des Bundesteilhabe-Gesetzes, Investitionen in den Bildungsbereich, die menschenwürdige Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen aus Krisen- und Kriegsgebieten. Es bringt uns nicht weiter immer wieder monoton darauf zu verweisen, dass nur Aufgaben von Bund und Land an die Kommunen und Landkreise übertragen werden, ohne auskömmliche Finanzierung - Stichwort Subsidiarität. Das stimmt zum Teil, aber das Finanzierungsgeflecht ist komplex und niemand hier im Gremium kann wirklich wollen, dass Deutschland in einen Staat umgebaut werden soll in dem sich jeder selbst der nächste ist und das Gemeinwohl hintenangestellt werden soll. Tendenzen sind spürbar.

Die Einnahmen des Landkreise sind abhängig von der Höhe des Finanzausgleichs, der Investitionszuschüssen, der Grunderwerbsteuer etc.  Wir schielen auf die Steuerschätzungen, auf den Pro-Kopf-Betrag etc. und hoffen, dass die Positionen höher ausfallen als im Haushalt angesetzt, um das Rechnungsergebnis doch noch verbessern zu können. Und dann ist da noch die Kreisumlage, deren Höhe vor allem von der Einsicht der Fraktionen der FW, CDU und FDP abhängt. Auch in diesem Jahr scheiterte die Verwaltung, Herr Landrat Allgaier und Frau Beck, mit ihrem ursprünglichen und gerechtfertigten Antrag einer 2 %-igen Anhebung. Vom sich abzeichnende Kompromiss von 1% Punkt als Entgegenkommen für die Kommunen rückten die Bürgermeister - Kreisräte jedoch schnell wieder ab. Auch unsere Fraktion ist sehr wohl auf den Interessenausgleich zwischen Landkreis und Kommunen bedacht, er muss aber partnerschaftlich sein. Dieses „Nichtanheben“ der Kreisumlage bedeutet, dass weitere Projekte nicht in Angriff genommen werden.                                                                    

Wir sind nicht mit den Investitionskürzungen bei den betroffenen Schulen einverstanden – Verschiebung Campus-Umgestaltung, Erweiterung der Werkstatt. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels sollte hier nicht gespart werden.

Auch die Finanzierung unserer Kliniken erfordert eine weitere Kraftanstrengung.

Unser Antrag, die Kreisumlage um 1 %- Punkt zu erhöhen wurde im Verwaltungsausschuss abgelehnt. Wir halten wir es für falsch eine notwendige gravierende Erhöhung der Kreisumlage in den nächsten Jahren um zunächst 6 Punkte und dann nochmal 3 Punkte zu verantworten. Einerseits im Hinblick auf die Planungssicherheit der Kommunen, andererseits im Hinblick auf das zu erwartende drastische Kürzungsszenario durch die genannten Fraktionen.

 

Wir lehnen den Haushaltsplan 2024 mit einem riesigen Defizit von über 58 Mio. Euro ab.

 

 

 

 

 

 

 

expand_less